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Was sagen amerikanische Ökonomen zu Steuersenkungen für Bestverdiener und Meinungsmacher? Was bringt dagegen die Rossäpfeltheorie?







Ökonomen-Umfrage der Financial Times Deutschland
(sh. ihren Artikel "Die Volkswirtezählung" vom 10.5.2006 mit Fortsetzungen)



Unter der Überschrift "Hintergrund - Volkswirtezählung" schreibt die Financial Times Deutschland am 10.5.06:
 

Erstmals seit 25 Jahren sind Deutschlands Wirtschaftswissenschaftler wieder zu ihrem Selbstverständnis und ihren Überzeugungen befragt worden - von der FTD und dem Verein für Socialpolitik.
Insgesamt wurden rund 2400 deutsche Ökonomen angeschrieben, 551 antworteten auf die insgesamt 40 Fragen zu ihrer Arbeit sowie zu aktuellen und grundsätzlicheren wirtschaftspolitischen Problemen. Das entspricht einem Rücklauf von knapp einem Viertel.
 

Die Ergebnisse und Leserbriefe veröffentlichte sie ab 10.5.06.

Erwartungsgemäß unterstützen mehr als die Hälfte der überwiegend bestbezahlten deutschen Ökonomen die beiden "Parteien der Besserverdiener" ("Für welche Partei haben Sie die größte Sympathie?", "FDP": 27,8%; "Bündnis 90/Die Grünen": 22,7%) . Die übrigen neoliberalen Parteien sind in der Sympathie der Ökonomen unterrepräsentiert ("CDU/CSU": 13,9%, "SPD": 13,7%; sh. "Ökonomen-Umfrage Teil 1 - Was Ökonomen wirklich wollen",  FTD.de, 10.5.06, Bild im Text: "Eine Minderheit für Merkel"). Die Linke mit der WASG als Bündnis gegen den Neoliberalismus haben bei einer überwältigenden Mehrheit der deutschen Ökonomen überhaupt keine Chance: 0,6% (statt der bundesweiten 8 bis 10 Prozent). Dagegen halten anscheinend viele Ökonomen an ihrem falschen Selbstverständnis als unparteiische Wissenschaftler fest und an der vermeintlichen Neutralität des scheinbar Unpolitischen  ("keine Präferenz":  20,7%; sh. ebd.).

Immerhin sind sich 42% der deutschen Ökonomen einig, dass sie sich "in grundsätzlichen Fragen" nicht einig sind. Weitere knapp 42% von ihnen zweifeln an ihrer Einigkeit (sh. "Ökonomen-Umfrage Teil 1", a.a.O., "Bilderserie: Die Ergebnisse der Exklusiv-Umfrage", Bild 2: "Sind sich Ökonomen in grundsätzlichen Fragen einig?", Antworten: "Stimme nicht zu": 41,9%, "Stimme etwas zu": 41,5%, "Stimme stark zu": 15,8%).

Ihren eigenen Einfluss auf die Meinungsbildung schätzen sie eher gering ein. Den Haupteinfluss auf die Meinungsmache in Deutschland haben ihres Erachtens  zwei Ökonomen, die in ihrer begrenzten Wertschätzungsskala möglicherweise überhaupt nicht vorkommen (Bert Rürup: 49,7% und Hans-Werner Sinn: 33,9%, vor John Maynard Keynes: 1,7%), die jedenfalls zumindest nicht auf den ersten 15 Plätzen erscheinen. Dort stehen vielmehr 1. Paul A. Samuelson: 87,6%, 2. John Maynard Keynes: 85,39%, 3. Milton Friedman: 84,45%, Joseph Stiglitz: 81,89%, Gary Becker: 76,92%, Paul Krugman: 76,88% (sh. "
Ökonomen-Umfrage Teil 1", a.a.O., Bilder im Text: "Rürup schlägt die Basarökonomie" und "Wer sind die bedeutendsten Wirtschaftswissenschaftler").  Besonders die hohe Wertschätzung für Samuelson, Keynes, Stiglitz und nicht zuletzt für Krugman lässt hoffen. Die geringe Einschätzung des eigenen Einflusses ist kein Wunder, weil die Volkstümlichkeit eines Ökonomen nicht durch seinen wissenschaftlichen Rang, sondern vor allem durch seine Unterstützung von Seiten der neoliberalen Meinungsmachern und Söldner des Medienkapitals bestimmt wird.

Anlass zu etwas Hoffnung geben auch die Antworten auf die Frage: "Welches Land ist am ehesten Vorbild für Deutschland?" (sh. ebd., Bild im Text). In der Rangfolge stehen Schweden (19,4%), Niederlande (16,9%), Dänemark (14,3%), Großbritannien (14%), Finnland (12,6%), Schweiz (10,9%), Neuseeland (10,1%), Österreich (9,3%), USA (5,2%), Irland (4,5%), andere (2,5%). Dies entspricht teilweise der Bewertung hier in der (Anti-)"Rossäpfel-Theorie", wo jedoch Dänemark wegen seiner höheren Steuerfinanzierung der Sozialabgaben (sh.  MISSOC) und wegen einiger anderer Faktoren noch vor Schweden gesehen wird (sh. rossaepfel-theorie.de). In beiden Ländern tragen allerdings nicht nur die hohen Spitzensteuersätze, sondern auch die hohe Mehrwertsteuersätze zu der überdurchschnittlichen Steuerquote und Finanzkraft des Staates bei. Diese hohe Mehrwertsteuer lässt sich allenfalls rechtfertigen durch die hohen Spitzensteuersätze (Dänemark 59%) wie auch durch die hohen Verbrauchssteuer für Luxusgüter und durch ähnliche soziale und arbeitsmarktpolitische Kompensationen.

Deutschland mit der niedrigsten Steuerquote der EU15 und mit seiner hohen Sozialabgabenquote ist eher als Negativbeispiel zu betrachten. Dagegen hätte Deutschland mit der mittleren Steuerquote von Großbritannien jährliche zusätzliche Steuereinnahmen von etwa 160 Milliarden Euro (sh. rossaepfel-theorie.de), obwohl die Mehrwertsteuer in Großbritannien klar unter dem künftigen deutschen Niveau liegt. Auch das Negativbeispiel USA, die Schwarzgeld-Oase Schweiz sowie die parasitäre Subventions- und Steueroase Irland wurden in der Liste der Vorbilder genannt. Das zeigt, dass es nicht nur bei den hochgejubelten Populär-Ökonomen extreme Neoliberale gibt. - Anerkennung findet auch die  neoliberale Schüssel-Regierung in Österreich, die durch allerlei Steuertricks andere Staaten zur Ader lässt (sh. rossaepfel-theorie.de).

Auf die entscheidende Frage zur Schaffung von Arbeitsplätzen durch die Finanzpolitik erhält man durch die Umfrage leider keine interessanten Antworten, weil sie einfach ausgeklammert wurde. Man fragte die Ökonomen zwar: "Ist die Steuerlast in Deutschland insgesamt zu hoch?", worauf immerhin 47,6% von ihnen mit "nein" und nur 39,7% mit "ja" antworteten (sh. "
Ökonomen-Umfrage Teil 1", a.a.O., "Bildersereie: Die Ergebnisse der Exklusiv-Umfrage", Bild 1). Aber die neoliberalen Politiker und sonstigen Meinungsmacher lenken stets vom Kernpunkt ab. Sie betreiben ja gerade seit ihrem gemeinsamen Wegmobben Lafontaines  im März 1999 nur noch Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben, indem sie zuerst die Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent für sich und die übrigen Bestverdiener durchgepaukt haben und dafür jetzt die Mehrwertsteuer erhöhen,  Offenbar sind die bestbezahlten Meinungsmacher an der weitaus wichtigeren Frage nach ihrem Spitzensteuersatzdieser nicht interessiert, obwohl doch Joseph Stiglitz als einer der wichtigsten Ökonomen für diese Frage in ihre Wertschätzung auf Platz 3 rangiert (sh. seine Behandlung dieser Frage hier unter rossaepfel-theorie.de).

Eine gewisse Bestätigung dieser Einschätzung findet man in der Grafik "Welche Steuerreform die Ökonomen bevorzugen würden" ("Bilderserie: Ökonomen-Umfrage Teil 2", Bild 8). Danach bevorzugen die "Duale Einkommensteuer (Modell des Sachverständigenrates)": 31,3%;  die "Flat Tax": 26,7%;  die "Reform nach Vorschlag der Stiftung Marktwirtschaft": 20,2%; "mäßige Reformen am bestehenden System": 11,9%; "gar keine Reform": 0,6%; "keine Meinung": 9,4%. Auch hier wurde vorsorglich nicht nach einer Korrektur der Umverteilung nach oben gefragt. Die vorgeschlagenen Alternativen "mäßige Reformen..." oder "gar keine Reform" sind bei der aktuellen deutschen Arbeitslosenquote in der Tat nicht akzeptabel. Die übrigen vorgeschlagenen Alternativen sind es jedoch auch nicht, weder der Einheitssteuersatz nach dem Modell von Paul Kirchhof oder der Slowakei, noch das Modell der Lobbyisten von der "Stiftung Marktwirtschaft" noch die "Duale Einkommensteuer" mit erheblicher steuerlicher Bevorzugung der Einkünfte aus Kapitalbesitz gegenüber den Einkünften aus eigener Arbeit.

Man sieht, dass auch hier wie sonst die TINA-Formel ("There Is No Alternative"; sh. rossaepfel-exkurse.de) von Margaret Thatcher hineingeschmuggelt wird, damit der Leser gar nicht erst auf falsche Gedanken kommt.





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